Rückblick

  

Ein außergewöhnliches Jahr geht zu Ende. In den letzten Januartagen zogen wir von Hildesheim nach Bad Salzdetfurth. Keine Weltreise, aber neun Kilometer zwischen einem Reihenhaus an einer belebten Straße, dem Supermarkt in Sicht- und Hörweite, Laternenlicht die ganze Nacht hindurch und einem Haus am Ortsrand mit Blick auf Wald und Weiden und stockfinsterer Nacht haben uns in eine andere Welt versetzt. Inzwischen ist auch der Baustellencharakter einem wohnlichen Zuhause gewichen. Es ist noch längst nicht alles perfekt, aber wir genießen es , hier zu leben. So haben wir auch die Ein-schränkungen der ersten Coronawelle gut aushalten können. Im Sommer konnten wir, wenn auch mit Abstand, Rücksicht und immer etwas Unsicherheit, wieder unterwegs sein, Freunde besuchen und Gäste haben, gemeinsam wandern und Urlaub im Ahrntal machen. Eine Fotoausstellung unter dem Motto „Leidenschaft“ mit Bildern von Musikern, die Anfang des Jahres im Haus Süntelbuche gezeigt werden sollte, wurde aus organisatorischen Gründen auf November verschoben und fiel dann der zweiten Coronawelle zum Opfer. Einen neuen Termin gibt es noch nicht. Unsere „Männertour“, die uns in diesem Jahr in den Spreewald führen sollte, fiel aufgrund der Einschränkungen und Verunsicherungen durch die Pandemie aus. Was mich in diesem Jahr besonders getroffen hat, ist der Tod eines guten Freundes im Oktober. Es war ein überraschender, nur wenige Wochen dauernder Abschied. Kaum Zeit, mich mich dem bevorstehenden Verlust vertraut zu machen. Die Realität des Todes ist schmerzhaft und die entstandene Lücke wird mich begleiten. Und gleichzeitig ist der Blick in die Zukunft gerichtet. Die ereneuten Einschränkungen durch die Pandemie reduzieren wieder vieles auf ein Minimum, aber ich will mich nicht von Angst vor einer Ansteckung lähmen lassen. Die Zeit mit Abstand überstehen und auf wieder mehr unbeschwerte Nähe im neuen Jahr hoffen. Deshalb steht der neue Termin für die „Männertour“ 2021 schon und viele Ideen für weitere Wanderungen und Unternehmungen reifen. Also keine Trübsal sondern Lust auf die unmittelbare Zukunft.

Dezember 2020

 



Klippen und Mythen

 

Endlich kann ich wieder auf einem meiner Lieblingswege im Ostharz unterwegs sein. Von Drei Annen Hohne gehe ich auf dem Hexenstieg zum Trudenstein. Der Name leitet sich von der angeblichen Ähnlichkeit der Felsen mit einer Drude, einer altdeutschen hexenähnlichen Sagenfigur ab. Dann biege ich auf den schmalen Pfad in Richtung in Richtung Leistenklippe und Grenzklippe ab. Der Weg ist steil, steinig und an einigen Stellen wegen umgestürzter Bäume etwas unwegsam. Aber ich genieße die Anstrengung, gehe langsam und aufmerksam. Oben auf dem Hohnekamm ist Donner zu hören und über den Brocken ziehen dunkle, regenschwere Wolken heran. Einen Augenblick zögere ich und überlege, wieder umzudrehen, obwohl ich ausreichenden Regenschutz im Rucksack habe. Gott sei Dank entscheide ich mich für's Weitergehen, denn der Donner bleibt fern, die Sonne setzt sich wieder durch und erst kurz vor meinem Ziel erwischen mich fünf Regentropfen. Hinter der Grenzklippe gehe ich wieder bergab, am Rand des Erdbeerkopfes zum Ahrensklint. Unterwegs kreuzt eine junge Kröte meinen Weg. Beinahe hätte ich sie übersehen, da die Farbe ihres Körpers sie in den trockenen Tannennadeln fast unsichtbar macht. Wir betrachten uns eine Weile gegenseitig und sie lässt mich ein Foto von ihr machen. Vielleicht schaue ich ja gerade einen verwunschenen Prinzen oder eine verzauberte Prinzessin an. In dieser Umgebung würde es mich nicht verwundern. Vom Bahnhof Schierke, in dem gerade als ich ankomme zwei Züge mit schnaufenden Dampfloks stehen, geht's weiter zur Feuersteinklippe. Die Felsbrocken wirken wie lose aufgeschichtet, aber sie liegen unverrückbar dort. Ich bleibe eine Weile und lasse den Ort auf mich wirken. Ein Ort, an dem Geschichten entstehen können. Ein Ort an dem man sich fürchten oder geborgen fühlen kann. Je nachdem, wie die eigene Stimmung ist, oder zu welcher Tages- oder Jahreszeit man hier ist.

Das letzte Stück ist entspanntes Schlendern auf breiten Forstwegen. Oft kann der Blick frei durch abgestorbene oder gefällte Fichten in Richtung Elbingerode schweifen.

Ich war schon oft hier und doch kann ich immer wieder neue Eindrücke genießen und mich inspirieren lassen. Ein herrlicher Wandertag.

Juni 2020



Was für Zeiten 

 

Ein Virus, das weit weg war, ohne Bedeutung für mein Leben. Ausgangssperren, ganze Städte eingesperrt. Undenkbar für eine freie Gesellschaft in der ich lebe. Auf einmal ist alles ganz nah. Menschen erkranken in Orten, die mir etwas sagen, in denen ich selbst auch schon einmal war. Auf einmal auch hier Einschränkungen. Der nächste Ort unerreichbar. Kinder und Enkelkinder, Freunde unerreichbar.

Gott sei Dank gibt es Telefon, Videobotschaften, Mails. Aber das ist kein adäquater Ersatz für die sonst erlebte Nähe. Wie lange halte ich das aus? Wie sehr werden sich Beziehungen verändern? Wie halten das Menschen aus, deren Existenz ganz plötzlich bedroht ist, weil sie ihre Arbeit verlieren können oder ihr Geschäft nicht mehr betreiben können. Es soll Hilfen geben, um persönliche Katastrophen zu verhindern. Schnell und unbürokratisch.

Einen Augenblick hatte ich die aberwitzige Hoffnung, dass in dieser Ausnahmesituation tatsächlich eine unmittelbare Hilfe ohne wenn und aber gewährt werden wird. Beim Anblick der Antragsformulare und einer völlig überforderten „zuständigen Stelle „ (zumindest in Niedersachsen) war mir leider sehr schnell klar, dass sich Denkweisen nicht in dem Tempo ändern, in dem Katastrophen eine Gesellschaft verändern.

Gott sei Dank kann ich auch eine andere Seite sehen. Viele Verpflichtungen entfallen, Termine werden abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Mal eben schnell Material einkaufen, damit endlich das Hochbeet fertig werden kann, entfällt. Und siehe da, es sind noch genug Reste da, die für diesen Zweck recycelt werden können. Nur einmal in der Woche zum Einkaufen fahren. Ich kann in Ruhe endlich die Bücher lesen, die auf dem immer höher werdenden Stapel liegen. Ich kann das gute Wetter nutzen, ganz unbeschwert zu Fuß unterwegs zu sein. Ohne konkretes Ziel und mich überraschen lassen, welchen Weg ich finde, wo ich ankommen werde.

Ich bin gespannt, wie lange ich mir diese Gelassenheit erhalten kann. Wann und was aus meinem alten Leben wird mir so sehr fehlen, dass ich mir diese augenblickliche Gelassenheit nicht mehr erhalten kann. Was für Zeiten werden es sein, die dann kommen?  

 

 

Eine veränderte, differenzierte Art von Gelassenheit ist entstanden. Meine Termine wurden weniger, die Anzahl spontaner Einkäufe hat sich dank disziplinierter Organisation reduziert. Das hat entspannt und hat Freiräume geschaffen. Und genau da wird meine neue Gelassenheit auch auf die Probe gestellt. Es fehlen mir zunehmend die persönlichen Kontakte, der direkte Austausch. Telefonieren, skypen und Kurznachrichten schreiben ersetzen keine Nähe, kein Händeschütteln, keine Umarmung. Das Abstandhalten im Freundeskreis fällt mir immer schwerer. Wir treffen uns jetzt endlich wieder, um gemeinsam spazieren zu gehen und im Garten zu sitzen. Aber eben immer mit Abstand. Immer auch Sorgen spürend, dass Grenzen überschritten werden und wir der Gesundheit des Anderen schaden könnten oder uns selbst infizieren. Leichtigkeit und Unbekümmertheit gehen verloren.

Wenn hinter Schutzmasken die Gesichter verloren gehen, fehlt mir das Minenspiel als wichtiger Teil der Kommunikation. Manchmal verunsichert mich das auch.

Andererseits nerven mich Menschen, deren Distanzlosigkeit mir jetzt besonders auffällt. Ganz besonders nerven mich Menschen, die hinter allem die große Weltverschwörung wittern und ihre absonderlichen Ansichten lautstark verkündigen. Es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Sachverhalte und es gibt nicht „die Schuldigen“, auf die man seine eigenen Ängste projezieren kann. So einfach funktioniert die Welt nicht und hat sie noch nie funktioniert. Da kommt meine Gelassenheit an ihre Grenze, auch weil ich mich gefordert fühle, dem Unsinn zu widersprechen.

 

März / Mai 2020


8 x 14

 

Auf einer Grundfläche von  acht mal vierzehn Metern entsteht am Rand eines kleinen Städtchens zehn Kilometer südlich von Hildesheim ein Haus für Hiltraut, Rolf und Mona.

Geplant und entworfen von Regina und Adrian. Ein schlichter Baukörper in Holzbauweise komplett mit Schiefer verkleidet und errichtet von Handwerkern aus der Umgebung. Mit anspruchsvollen konstruktiven Details und ausgefeilter äußerer und innerer Ästhetik. Groß genug für zwei Menschen und einen kleinen Hund. Alles was wir brauchen, befindet sich auf einer Ebene und unterm Dach ist noch Rückzugsraum und Platz für Gäste, die nicht gleich wieder weg wollen.

 

 

Baubeginn war im Juli, die Fertigstellung ist im Dezember geplant. Eine aufregende Zeit und jede Menge Vorfreude auf ein neues Wohngefühl.

 

Der Einzug zum Jahresende hat nicht ganz geklappt, aber was sind beim Hausbau schon Verzögerungen von vier oder fünf Wochen. Ende Januar sind wir umgezogen und mit viel Geduld, Improvisation, blank liegenden Nerven haben wir die Zeit bis jetzt überstanden. Gott sei Dank sind alle Handwerker freundliche Menschen und bemüht, die Einschränkungen für uns so gering wie möglich zu halten. Nun ist das Haus -fast- fertig. Strom, Wasser und Abwasser und eine Heizung, die mit Erdwärme gespeist wird. Ab Ende März war eine Baupause geplant, damit wir einmal durchatmen und Normalität erleben können. Corona hat den Termin vorverlegt. Unfreiwillig ist jetzt Stillstand, nicht nur am Bau. Der Rückzug von fast allem, das bisher unseren Tagesablauf bestimmt hat, erweist sich bei aller Sorge um die weitere Entwicklung als Chance, durchzuatmen und sich zu besinnen. Eine sehr besondere Fastenzeit. 

Ach ja, einen Internetanschluss, Festnetztelefon und Fernsehen haben wir noch nicht, sodass wir uns mobil mit der Welt verbinden müssen. Das Glasfaserkabel liegt zwar schon im Haus, aber für die „Aktivierung" braucht die Deutsche Glasfaser noch viel Zeit. Auch an diesen Umstand haben wir uns, wohl oder übel, schon gewöhnt. Dafür haben wir beim Blick in den Garten ein abwechslungs-reiches Liveprogramm. Eichhörnchen klauen aus den Jutematten, die eigentlich die Aufgabe haben, den Hang zu befestigen, ganz emsig meterweise Fäden um ihre Nester auszupolstern. Sieht ganz putzig aus, ist aber trotzdem ärgerlich. Nachbars Katzen streunen ums Haus und sogar ein Reh verirrte sich in den Garten und suchte aufgeregt den Weg zurück ins eigene Revier. Angesichts dieser Vielfalt ist Mona ganz außer sich. Sie rennt von einem zum anderen Fenster und ist stinksauer, dass sie da draußen nicht für Ordnung sorgen darf.  

Internet und Festnetz sind da, Fernsehen geht noch nicht! Der Abwasseranschluss ist noch mal richtig verlegt. Es sieht nicht mehr nach einem Leuchtturm mit Schornstein aus. Vorhänge an den Fenstern vermitteln abends ein wenig mehr Privatspäre. Wir können uns über kleinste Baufortschritte freuen und genießen das Leben hier am Bach.

Jetzt funktioniert auch das Fernsehen, aber nach der langen Abstinenz hat es einiges an seinem Reiz verloren. Auch eine schöne Nebenwirkung. Der Abwasseranschluss ist fertig, so dass wir mit der Gestaltung des Vorgartens beginnen können. Und die Arbeiten an der Fassade gehen nach einer längeren Pause weiter.

Das Dachgeschoss ist (so gut wie) fertig. Es kann eingerichtet werden. Wieder ein Stück mehr Wohn- und Lebensraum.

 

 

Die Entwicklung könnt ihr in der Galerie verfolgen.