Du, lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit.

Die allzu hart sind, brechen …

 

  (Wolf Biermann)

 

 


 

Die Welt ist schön...

 

Es ist wie immer, jedes Jahr die gleiche Ungeduld. Das Warten auf mildes Frühlingswetter wird durch Tiefausläufer mit kalten, windigen und nassen Phasen auf eine harte Probe gestellt. Sobald es mild ist, kann ich dem Gras beim Wachsen zusehen. Die Frühblüher setzen erste Farbtupfer und das erste frische Grün der Sträucher entfaltet sich. Auch Mona ist nicht zu bremsen und beginnt in den zahlreichen Mauselöchern zu graben. Vom noch feuchten und klebrigen Lehmboden lässt sie sich nicht stören. Mit der ungestörten Winterruhe für die kleinen Nager ist es jetzt endgültig vorbei. Wer sich nicht schnell genug in Sicherheit gebracht hat, wird von Monas spitzen Zähnen ratzfatz in den Mäusehimmel befördert. Dass sie nach ihren Jagdzügen erst nach einer gründlichen Reinigung wieder ins Haus darf, nimmt sie dafür murrend in Kauf. Beim nächsten Schietwetter können sich alle wieder erholen und von den nächsten warmen Tagen träumen. Dann können mein kleinster Enkel und ich endlich wieder ein Lagerfeuer machen. Gemeinsam, ich mit der großen, mein Enkel mit der kleinen (echten) Axt Holz hacken, Anmachholz sammeln und darüber diskutieren, ob zum fünften Geburtstag eine echte kleine Axt das passende Geschenk sein kann. Wir haben vereinbart, dass ich das erst noch mal mit seinen Eltern und der Oma besprechen muss. Und während wir dann weiter gemeinsam vor uns hin werkeln bemerkt dieser fast fünfjährige Knirps so ganz nebenbei: „Opa, die Welt ist schön.“ Das ist, als würde diese Welt für den Augenblick still stehen, damit ich mir das noch mal hinter die Ohren schreiben kann, um es nicht so schnell wieder zu vergessen. Danke für diesen Augenblick.

April 2023

 


 ... in mir selber wohnen

 

 

Holder Schein, an deine Spiele

 sieh mich willig hingegeben;

 andre haben Zwecke, Ziele,

 mir genügt es schon zu leben.

 …

  

Es schon eine gute Gewohnheit, eine persönliche Tradition einmal im Jahr den Weg in die Stille zu gehen. Im Kloster Marienrode im Stile des Zen zu sitzen, zu hören und sich in der Bewegungsmeditation zu üben. Dazu von Freitagabend bis Sonntagmittag schweigen. Ich weiß vorher, dass mir irgendwann die Fuß- und Kniegelenke vom Stillsitzen schmerzen werden, ganz gleich, wie viel oder wenig ich im letzten Jahr geübt habe. Und obwohl ich keine selbstquälerischen Tendenzen habe, freue ich mich immer wieder auf dieses Sitzen.

 

Gleichnis will mir alles scheinen,

 was mir je die Sinne rührte,

 des Unendlichen und Einen

 das ich stets lebendig spürte.

 ….

 

Ich habe diese Art der Meditation nicht als Möglichkeit verstanden, an ein Ziel, an einen Endpunkt zu gelangen. Die irrige Vorstellung, eine Erleuchtung oder sonst einen übersinnlichen Zustand zu erlangen habe ich längst abgelegt. Es ist ein Weg, eine immerwährende Übung, im Augenblick zu sein. Ich kann nicht verlorenen Atem nachholen oder auf „Vorrat“ atmen. Der Atem ist immer im Jetzt. Mit der Hilfe des Atems kann ich versuchen, dem Gedankenkarussell für den Augenblick zu entkommen. Am Ende dieser stillen Zeit fühle ich mich entspannt, bereichert und motiviert für den weiteren Weg. Die Schmerzen sind längst vergangen und ich kann leichtfüßig in die Sonne hinausgehen.

  

Solche Bilderschrift zu lesen,

 wird mir stets das Leben lohnen,

 denn das Ewige, das Wesen,

 weiß ich in mir selber wohnen

(Bekenntnis – Hermann Hesse)

Februar 2023