"Zweifle nicht an dem der dir sagt er hat Angst

aber hab Angst vor dem der dir sagt erkennt keinen Zweifel."

 (Erich Fried)

 

  


Das Herz des Pilgers

 

Das Kloster Drübeck bot einen viertägigen Pilgerkurs für Männer an.

„Zur Ruhe kommen in der Gegenwart Gottes und Gemeinschaft finden mit Menschen, die ein Stück des Weges mitgehen….“, und als Besonderheit eine Übernachtung auf einer Lichtung im Wald, nur mit Schlafsack und Isomatte.

Mit der Gegenwart Gottes tue ich mich schwer. Mein Gottesbild ist noch immer geprägt und belastet von einer katholischen Sozialisation in Kirche und Elternhaus. Leere Rituale, Scheinheiligkeit, Unbarmherzigkeit, blinder Gehorsam und ein strafender Gott sind Begriffe, die mir dabei spontan in den Sinn kommen. Andererseits bin ich neugierig, welchen Zugang andere Menschen zu Gott gefunden haben. Die Vielfalt, die ich bei meinen Begegnungen bisher kennengelernt habe, und die -Gott sei Dank- oft nicht meinem alten Klischee eines frommen Menschen entsprechen, ermuntern mich und machen Lust darauf, mich mit Glauben, Spiritualität und Gott auseinanderzusetzen. Und so habe ich mich angemeldet und an dem Pilgerkurs teilgenommen.

Acht Männer waren wir, die sich unter der fürsorglichen Leitung von Stefan Wohlfarth auf den Weg machten. Nach einem ersten Kennenlernen und Einfinden in die Abläufe machten wir uns am nächsten Tag bei bestem Sommerwetter auf. Wir waren überwiegend auf naturnahen Pfaden unterwegs. Das bedeutet, über Stock und Stein zu gehen, manchmal kräftezehrend bergauf und sehr achtsam bergab. Zum Ausgleich aber auch über breite Forstwege, auf denen ein in Gedanken versunkenes Schlendern Entspannung brachte. Vor dem letzten herausfordernden Anstieg dieses Tages machten wir an der Steinernen Renne noch ausgiebig Rast. Und der Anstieg hatte es wirklich in sich. Wir schafften es gemeinsam, weil wir aufeinander achteten und uns gegenseitig unterstützten. An unserem verschwiegenen Platz angekommen, wurden Isomatten und Schlafsäcke ausgebreitet und der mitgebrachte Proviant verzehrt. Danach war Zeit für eine Rückbesinnung auf den Tag und einen langen Blick auf die hinter dem Brocken verschwindende Sonne. Da ich beim Packen nicht an mein Kopfkissen gedacht hatte, verbrachte ich eine sehr unbequeme Nacht mit wenig Schlaf. Dafür konnte ich ausgiebig den Sternenhimmel und die Mondsichel betrachten, den milden Nachtwind spüren und im Sonnenaufgang ein Eichhörnchen beobachten, das mit unserer Anwesenheit in seinem Revier offenbar überhaupt nicht einverstanden war. Der Rückweg führte uns wieder über wilde Pfade ins Kloster Drübeck zurück. Am folgenden Tag gingen wir auf dem Klosterwanderweg zum Kloster Ilsenburg und weiter durch das Ilsetal bis zur Bremer Hütte und auf demselben Weg wieder zurück nach Drübeck. Einige von uns nutzten den Tag für einen eigenen Weg. Am Mittag des nächsten Tages war der gemeinsame Pilgerweg schon wieder beendet. Es war eine kurze Zeit der Gemeinschaft. Wir waren eine begrenzte Zeit zusammen unterwegs. Die Wege haben uns unterschiedlich gefordert und jeder hat seine eigene Wahrnehmung der gemeinsamen Zeit. Wir haben geschwiegen, gesungen, gebetet, uns vieles voneinander erzählt. Gott und die Welt war unser Thema.

Liebe Männer, ich danke euch für die gemeinsamen Momente. Ihr ward so anregend verschieden und so erfrischend „fromm“. Und ihr habt mir Mut gemacht, weiter auf der Suche nach meiner Spiritualität und einem Gott, dem ich mich anvertrauen kann, zu bleiben.

Juli 2019

 


Im dunklen Wald

 

Der Wunsch meines neunjährigen Enkels war es, mal mit Opa eine Nachtwanderung zu machen. Ich fühlte mich geehrt, weiß aber um die Vorbehalte meines Enkels bezüglich wilder und gefährlicher Tiere, die im Wald auf einsame Wanderer lauern. So einigten wir uns für den Anfang auf eine Wanderung in der abendlichen Dämmerung.

Begleitet von einem seiner Freunde wagten wir uns in die Wildnis. Gleich zu Beginn wurden passende Wanderstöcke gesucht, die auch lang genug waren, bevorstehende Gefahren abzuwehren. Auf dem breiten Fahrweg leuchtete noch die helle, wärmende Abendsonne und in der Stille war das Rascheln der Waldmäuse zu hören. Nachdem ich den beiden erklärte, dass man Mäuse nur beobachten kann, wenn man sich möglichst nicht bewegt, nicht mit langen Stöcken im Laub stochert und am besten auch den Mund hält, ließ der Erfolg nicht lange auf sich warten. Schnell entwickelte sich ein kleiner Wettbewerb, wer die meisten scheuen Nager entdeckt. Mit Hilfe eines Fernglases wurden aus den Winzlingen auf einmal auch große Waldbewohner, die uns bei entsprechender Phantasie das Fürchten lehren konnten.

Als klar wurde, dass wir gleich in den dunklen Wald hineingehen würden, gab es ersten Protest. Ob es keine Alternativen gäbe und außerdem hätten wir auch nichts zu essen dabei. Auf intensives Nachfragen gab mein Enkel zu, im Dunkeln Angst zu haben! Für seinen Mut, das in Gegenwart eines gleichaltrigen Freundes offen zuzugeben, konnte ich ihn nur loben. Das muss ein Junge sich erst mal trauen. Und dann sind wir tapfer in die Dunkelheit gegangen. Ich habe erzählt, dass ich auf keiner meiner vielen Wanderungen bedrohliche Begegnungen mit Tieren hatte. Füchse, Wildschweine und Dachse legen keinen Wert auf Menschenbegegnungen, sondern gehen uns so gut sie können aus dem Weg. Sie hören, sehen und riechen uns lange bevor wir sie wahrgenommen haben. Den mehrfachen Wunsch nach einer Taschenlampe habe ich geflissentlich mit dem Hinweis, ich könne alles noch sehr gut erkennen, ignoriert. Als wir zwischendurch vom Waldrand aus noch einen guten Blick in die vor uns liegende Ebene hatten, sahen wir die Lichter der Autos auf der Straße, auf der wir vorhin auf dem Weg in unser Abenteuer unterwegs waren. Ein paar Wahrzeichen Hildesheims verschafften uns Orientierung und zeigten uns, dass wir gar nicht so weit von zu Hause entfernt waren.

Wieder zurück auf dem breiten Fahrweg, leuchteten die ersten Sterne und eine schmale Mondsichel stand am Himmel. Nach der Stille in der Dunkelheit gab es trotz beginnender Müdigkeit jetzt wieder Zeit für phantasievolle Gespräche. Später als geplant waren wir wieder wohlbehalten zurück und ich hoffe, die beiden haben Lust auf weitere Nachtwanderungen bekommen.

Juli 2019

 


 

Ein Stück Teufelsstieg

 

"Und ich glaube, auch Mephisto muss mit Mühe Atem holen, wenn er seinen Lieblingsberg ersteigt." (Heinrich Heine)

 

Diesmal wollte ich, anders als vor ein paar Jahren, den Brocken über den westlich des Eckerstausees verlaufenden Pionierweg bis zum Eckersprung und weiter auf dem Goetheweg erklimmen. Auf dem Rückweg würde ich dem Verlauf des Teufelsstieges folgen. 

In Bad Harzburg erwartete mich wunderbares Wanderwetter. Sonnenschein, leichter Wind und angenehme Temperaturen. Vom Großparkplatz aus ging es über die B4 und dann der Wegmarkierung des Teufelsstieges folgend, immer bergauf über den Ettersberg zum Molkenhaus. Kurz danach ging es links über eine Wiese auf dem Braunschweiger Weg wieder hinunter ins Eckertal. Das Plätschern des Baches begleitete mich und bald war ich am Fuß der Staumauer angelangt. Der Gedanke, dass von der anderen Seite mehrere Millionen Liter Wasser gegen dieses Ungetüm aus Rüttelbeton drücken, schickte mir ein leichtes Kribbeln über meinen Rücken und beschleunigte meine Schritte auf dem steilen Pfad hinauf zur Dammkrone. Am Westufer des Stausees, auf dem Pionierweg konnte ich mich beim weiten Blick über das Wasser und dem sommerlichen Duft der Fichten in der Nase wieder etwas ausruhen. Dann wurde der Weg immer schmaler und führte über Baumwurzeln und Geröll weiter bergan. Über große Granitblöcke balancierend wechselte ich nach einiger Zeit von der rechten auf die linke Seite der Ecker. Diese Stelle hatte ich bei meiner ersten Wanderung auf dem Teufelsstieg nicht passiert. Ein Stück weiter bemerkte ich, dass ich durch die Bachquerung einen kleinen Umweg gemacht hatte. Aber, wie heißt es so schön, Umwege erhöhen die Ortskenntnis. Und es bewahrheitete sich wieder, dass derselbe Weg in umgekehrter Richtung begangen, eben nicht mehr derselbe Weg ist. Dann traf ich, wie geplant, auf den Goetheweg und begegnete hier zum ersten Mal an diesem Tag, anderen Wanderern. Während meiner Rast leistete mir ein junger Eichelhäher Gesellschaft. Sehr nah, aber doch in sicherer Entfernung, zeigte er großes Interesse an meinen Kräckern. Ich wollt ihn nicht enttäuschen und ließ beim Aufbruch einige Krümel zurück. Kurz unterhalb des Brockens traf ich den legendären Brocken-Benno, der bereits wieder auf dem Rückweg war. Über 8.000 mal hat der 87 jährige den Berg schon bestiegen. Respekt! Ich habe mich auf dem Gipfel nur kurz aufgehalten und ging zügig auf dem Hirtenstieg hinab bis zum Kleinen Brocken. Hier konnte ich ungestört eine kleine Rast machen und die Aussicht in alle Richtungen genießen. Weiter über Beton-Lochplatten des ehemaligen Postenweges kam ich zur Rangerstation am Scharfenstein. Nach einem Becher Kaffee und einem sehr lohnenswerten Abstecher auf den Aussichtspunkt wanderte ich entspannt am Ostufer des Eckerstausees entlang, vorbei am Molkenkaus zurück zum Parkplatz. Nach knapp siebeneinhalb Stunden war mein Wanderelebnis zu Ende und meine Füße durften sich in luftigen Sandalen entspannen.

Juli 2019

 



 

Geh allein an eine einsame Stätte und ruh ein wenig

 

Eine provisorische Bank unter einem alten Birnbaum. Der Weg dorthin, einen steilen Hang hinauf, ist nicht lang, aber steil. Ganz einsam ist es auch nicht, von den umliegenden Nachbargrund-stücken dringen hin und wieder Geräusche unter den Birnbaum. Aber die sind eingebettet in eine unüberhörbare Stille, sie lenken nicht ab, sondern geben das Gefühl, ungestört, aber nicht abgeschieden von der Welt zu sein. Der Blick geht über das kleine Tal hinweg auf eine Weide, auf der ein paar Pferde stehen und grasen. Ab und zu dringt ihr Schnauben herüber. Aus dem sich anschließenden Wald sind Vogelstimmen zu hören und wenn ich mir Zeit lasse, kann ich einen Hasen entdecken, der am Waldrand entlang hoppelt, immer wieder innehält, um einen prüfenden Blick in die Umgebung zu werfen.

Einige Greifvögel nutzen die günstigen Winde und kreisen auf der Suche nach Beute über dem Tal. Ab und zu kündigt ein Pfeifen und Surren ein startendes Segelflugzeug an. Kurz darauf erscheint es über den Baumwipfeln, klinkt das Seil aus und schraubt sich fast geräuschlos immer höher, bis es kaum noch zu sehen ist.

 

Das alles beobachtend, kehrt auch bei mir Ruhe ein. Dankbarkeit für den Genuss, den es bereitet, hier Zuschauer sein zu dürfen.

Juni 2019

 



Nur „schlichtes Ackerland“?

                                        - für mehr bürgerschaftliches Engagement

 

 

Der Wasserkamp, eine Ackerfläche am südlichen Rand Hildesheims, ist seit längerem Zankapfel zwischen vielen Bewohnern der Ortsteile Itzum und Marienburger Höhe und einigen Ratsfraktionen der Stadt. Grüne, Linke und Unabhängige sind gegen eine Bebauung der Fläche,  CDU und FDP sprechen sich dafür aus. Die SPD hat sich vor der letzten Kommunalwahl ebenfalls für einen Erhalt des jetzigen Zustandes ausgesprochen und diese Position im Ortsrat aktuell bestätigt. Die Stadtratsfraktion will sich jedoch nicht festlegen, braucht für eine endgültige Entscheidung noch weitere Fakten wie zum Beispiel die Ergebnisse der archäologischen Sondierungen und der Prüfung von Naturschutzbelangen. Die Stadtverwaltung hat bisher immer wieder betont, dass es ein ergebnisoffener Prozess sei und noch keine Entscheidungen getroffen seien.

Die Aussagen des Oberbürgermeisters anlässlich des Neu-jahrsempfangs in Itzum scheinen diese Aussage jedoch Lügen zu strafen: Er hält die Bebauung des Wasserkamps für unverzichtbar und „Wir haben so viel schöne Natur rund um Itzum, da kommt es sicherlich nicht auf dieses Areal an.“

Dieses schlichte Ackerland hat einen der höchsten Bodenwerte in der Region und es wird zur Innerste hin vom FFH-Schutzgebiet „Am Roten Steine“ begrenzt. Dieser schlichte Acker ermöglicht eine einzigartige Blickachse von Itzum aus über das Innerstetal hinweg bis zum Hildesheimer Wald. Der Wasserkamp wird nicht dazu dienen,  den fehlenden Wohnraum für Studenten, Geringverdiener und ältere Mitbürger zu schaffen. Dies war der Stadt schon auf anderen, weitaus kostengünstigeren Flächen nicht im versprochenen Umfang möglich.

 

Die "Bürgerinitiative für eine lebenswerte Marienburger Höhe" und die "Itzumer für einen grünen Wasserkamp" hat dem Rat der Stadt eine Petition gegen die Bebauung des Wasserkamps mit 2.700 Unterschriften übergeben. Diese Unterzeichnenden wollen keine weitere Flächenversiegelung, nicht noch mehr Verkehr in der Marienburger Straße und nicht noch mehr Lärm und Luftverschmutzung. Sie wollen, dass eine Stadtentwicklung gerecht auf alle Hildesheimer verteilt wird. Und sie wollen nicht, dass obwohl schon jetzt bekannt ist, dass Lärm- und Fein-staubwerte über Grenzwerten liegen, ihr Anliegen als Sozialneid diskreditiert wird.

 

Oberbürgermeister und Ratsvertreter, die den Eindruck vermitteln, dass Sorgen und Befürchtungen keine Rolle spielen und Entscheidungen, entgegen allen Beteuerungen, längst getroffen sind, tragen ihren Teil zur allseits beklagten Politik-verdrossenheit bei. Bürgerschaftliches Engagement ist nicht nur einmal im Jahr Müll sammeln oder Benefizveranstaltungen organisieren, sondern kann unbequem, laut, und lästig sein und ein einfaches Durchregieren schon mal ganz schön mühsam machen.

Januar 2019

 

Wasserkamp - jetzt
Wasserkamp - jetzt
Wasserkamp - bebaut
Wasserkamp - bebaut


Sch…wetter

 

 

Die Alpen versinken im Schnee. Viel zu viel Winter und für die Betroffenen wahrscheinlich kein Genuss. Im Hildesheimer Land milde Temperaturen, eine durchgehende Wolkendecke, Dämmerlicht den ganzen Tag, Wind und Regen, Regen, Regen. Beste Bedingungen, guten Gewissens im Haus zu bleiben, ein bisschen hin und her zu räumen, gemeinsam zu kochen und den nächsten Ostfriesenkrimi von Klaus-Peter Wolf zu lesen. Auch Mona versinkt beim Anblick von nassem Gras augenblicklich wieder in ihrem Winterschlaf.

Aber sie hat ein dichtes Fell und ich passende Regenkleidung und so machen wir beide uns, trotz ihres stillen Protestes, auf den Weg. Vom Gertrudenberg bei Bad Salzdetfurth in Richtung Matzenborn sind wir ungestört unterwegs. Die Bäume halten den Westwind ab, sodass der Regen nur direkt von oben kommt. Mona ist das Wetter jetzt sowieso egal. Sie schnuppert und schnürt mit der Nase am nassen Waldboden von rechts nach links und wieder zurück. Wenn ihr Gang aufrechter wird, der Kopf gereckt und die Nase in den Wind gehalten wird, hat sie etwas entdeckt, was ich noch lange nicht wahrgenommen habe. Gott sei Dank ist sie an der Leine! Nach zwei Stunden sind wir wieder zurück beim Auto – ordentlich nass und mit dreckigen Schuhen und Pfoten. Aber schön war’s.

Januar 2019